MARIANNE VLASCHITS

Galerie Sophia Vonier, Salzburg @ viennacontemporary 2020, ZONE 1, Vienna | September 22 – 29, 2020

installation view, viennacontemporary 2020, image (c): kunst-dokumentation.com

Zwischen Innen und Außen liegt eine körperliche, räumliche und spirituelle Weite, dennoch kann ihre Abgrenzung voneinander nie präzise bestimmt werden. Sie sind in diesem Sinn keine zwei Pole, sondern eine fluide Einheit, die sich chronographisch zwischen Vergangenheit und Zukunft bewegt, räumlich über diverse Dimensionen erstreckt und uns an die Grenzen unserer Wahrnehmung bringen kann. Inmitten dieser Mannigfaltigkeit positioniert Marianne Vlaschits (geb. 1983 in Wien, lebt und arbeitet ebenda) ihre jüngsten Arbeiten, deren Sinnbild und Leitmotiv zugleich Träume sind. Basis und Verankerung in unserer Realität bildet eine überdimensional große, schlafende Frauengestalt. Reduziert zu einer reinen Hülle, wölbt sich ihr voller, weicher Körper über die gesamte Wandfläche. Als Anlehnung an neo- bis paläolithische Fruchtbarkeitsgöttinnen und okkulte Priesterinnen, deren Fettleibigkeit idealisiert wurde, ersinnt die Künstlerin eine Wandarbeit, die in ihrer Fülle und konvexen Form an die Fundstätten ebenjener Frauenartefakte erinnert: die heidnische Katakombe, Hypogäum genannt, ist unterirdischer Austragungsort einer fiktiven Reise, die uns ins Überirdische hinaus führt. Bis zu einem gewissen Grad von ihrer Menschlichkeit entkoppelt, schwebt unsere Priesterin als (T)Raumschiff durch ein Universum, das ihr Zeit- und Raumlosigkeit für eine neue Auseinandersetzung mit ihrem vergangenen, menschlichen Dasein bietet

.Marianne Vlaschits sanfte Riesin bietet organischen Arbeiten Platz, deren formale Qualitäten sich zu Portalen manifestieren um zwischen ihren Träumen und der betrachtenden Außenwelt zu vermitteln. Den Anfang macht wortwörtlich eine Nabelschau: “Primordial Mouth”, der erste Mund, zeigt eine Nahaufnahme der einstigen Verbindung zwischen Frau und Fötus auf einem unregelmäßig ovalen Bildträger. Diesem folgen abstrahierte Abbilder weiterer Organe und Verbindungsgänge zwischen der Außenwelt und dem Körperinneren. Kehlkopf (“Tight Portal”), Rachen (“Blocked Portal”) und Darm (“Rose Portal”) bieten uns als Mikroporträts Zugang. Zudem sind Szenen eines fiktiven Narratives dargestellt, deren Protagonisten nur noch entfernt humanoide Züge aufweisen. Sie wirken entrückt, wie eine Makroaufnahme einer Reflexion über körperliche und geistige Existenzen. Alle Arbeiten verbindet die ungleichmäßige Form ihres Bildträgers, die außerhalb der strikten Normierung des Rechtecks steht, sowie die Farbpalette, die sich – ebenso Natürlichkeit anstelle von Künstlichkeit suggerierend – auf die Tonerde-, Ocker- und Fleischfarben der prähistorischen Anfänge der Malerei besinnt.

Immer tiefer sinken wir in die außerirdische Welt, die wir in den Arbeiten vorfinden. Marianne Vlaschits bereitet eine Bühne in einer Dimension, deren Fauna und Flora nicht mehr dem Erdplaneten zugeordnet werden kann. Auf ihr bieten sich Szenen dar, die Science Fiction mimen: Wesen, die verformt, gestreckt, gebläht und ineinander verschmolzen sind, ihre Gliedmaßen nicht mehr von ihren Geschlechtsteilen zu unterscheiden, interagieren im luftleeren Raum miteinander. In und auf ihnen befinden sich erneut erahnbare wie sichtbare Portale – Zugänge zu anderen Dimensionen – in denen das Innen und das Außen sich umstülpen, vermischen und in der Unendlichkeit eins werden. (“Glowing Hole”, “The Vessel”, “The Love between Painting and Poetry”).

Die Kommunikationsweise der fremden Lebewesen ist als Übertragung über ihre feinen Hornantennen und über ihre Gestik denkbar. Denn was sich in der gesamten Installation abzeichnet, ist der Fokus auf einer sich systemisch wiederholenden aber doch freien Form von Informationsweitergabe. Vom Körper zum Geist und zurück werden Impulse angeregt, die jeder klassischen Sprache entbehren und doch ihre eigene Sprache finden. Es ist eine unsichtbare, geheimnisvolle Kommunikation, von der wir nicht wissen wie sie funktioniert; dennoch wird sie in den Arbeiten spürbar. Wie aber kann eine solche Form von “reiner”, abstrakter Information körperlich erfahrbar gemacht werden? Innerhalb der Traummetapher kann eine neue Auseinandersetzung mit Gesagtem, Gemaltem, Sinnlichem und Sexuellem stattfinden: Gedanken und ihr vielfältiger Ausdruck in Sprache und Malerei aber auch der sexuelle Akt als Austausch von genetischem Material und körperlichen Sinneseindrücken sind Themen, an die Marianne Vlaschits uns innerhalb ihres unendlichen, alles verbindenden Kosmos heranführt.