TOBIAS IZSÓ | Off the cuff

KOENIG2 by_robbygreif, Vienna | April 4 – May 18, 2024

Die Spannung des Alltags ist manchmal unerträglich. Kaum in der heimeligen Sicherheit der eigenen vier Wände angekommen, den Schlüsselbund auf der Kommode platziert, Jacke und Schal auf den alten Garderobenständer geworfen und das Gesäß endlich, nach einem langen Tag, mit dem Lieblingssitzplatz in Berührung gebracht, kommt Rastlosigkeit auf. Zuerst still, innerlich, sanft, dann immer lauter werdend. Hat es mit dem wachsenden Wäscheberg auf dem designierten Sessel im Eck zu tun, mit dem leicht tropfenden Wasserhahn, dessen Dichtung sachte aber merklich ihren Ruhestand einzufordern versucht, oder mit dem Staub, der sich über die Möbel legt und in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne besonders schön glitzert? 

Während es unter der Haut brodelt, verharren die Oberflächen der Objekte scheinbar in repräsentativer Ruhe. Doch sobald man nicht hinsieht, kommen verborgene Kräfte zum Vorschein: Die väterlichen Hemdsärmel emanzipieren sich vom restlichen Textil und halten eine belanglose Rede, quasi aus dem Stegreif; der Stoffmusterkatalog wächst zu seiner vollen Größe heran und windet sich auf dem kanariengelben Boden, in einem Versuch, die einengende Katalogisierung der eigenen kleinbürgerlich-verstaubten Texturen abzuschütteln; der elastische Bugholz-Reißverschluss lotet aus, wo dem Zwang zur Verbindung widersprochen werden könnte.

Den assemblierten Versatzstücken kommen unterschiedlich temperierte Charakterzüge zu – und nur wenige sind so harmlos, wie sie scheinen. Überdimensionale Schnürsenkel, Narwalzähnen gleich, wachsen beispielsweise aus der Wand und schlingen sich süffisant und selbstbestimmt durch zwei Schuhrohlinge. Ein verkürztes Sakko mimt Thonets elegantes Wiener Geflecht, das im Vergleich zum darunter liegenden weichen und leicht abgetragenen Innenfutter hier jedoch starr und unflexibel wirkt; der einstige Sonntagsstaat und die damit einhergehenden Rollenbilder sind offenbar nicht gut gealtert. 

Dem Schmutzwäschestuhl schließlich kommt eine entscheidende Rolle zwischen den beiden maßgeblichen Polen dieses Zusammenkommens zu: Er hütet die gestrig gewordene Bekleidung für ein kommendes Morgen, ungeduldig und zunehmend entropisch expandierend und wird damit zum Symbol für Ordnungswillen und Lebensrealität zugleich. Während die erzwungene biedermeierliche Abkehr vom öffentlichen Leben zu einer vermehrten Wertschätzung für die Preziosen des Privaten führte, stehen wir heute vor der Frage des Umgangs mit einem materiellen und geistigen Erbe, das Enge als Wohlbefinden verstanden wissen will. Die Antwort verharrt in spannungsvoller Rastlosigkeit und den Versuchen, durch unermüdliches Herausschälen und Neuformen vordefinierten Mustern neue Weiten einzuschreiben.